Reinwaschen


Peng. Ein monotones Geräusch, das Stille erschafft und die Stille beendet. Ein Fließen, ein Aufnehmen, ein in sich gehen. Mehrere Minuten Stille. Der Seifenschaum wird durch die Schwerkraft nach unten gesogen. Bläschen bilden sich am Eingang des Abzugs. Dicke, mit Salz vermischte Wassermoleküle verbinden sich mit dem Leitungswasser. In unregelmäßigen Abständen fällt eine Träne nach der Anderen auf den Marmorboden. 

Nackte Beine stehen innerhalb der halbhohen Pfütze und wagen es nicht, sich zu rühren. Die feinen Härchen sind senkrecht aufgestellt, obwohl ich mich fühle wie ein Klappergestell. Das Fenster steht offen, ich spüre den Wind und mit ihm fließen neue Gedanken in meinen Kopf. Unwillkürliche Leere zieht an mir vorbei – Gänsehaut. Das Plätschern wird lauter, füllt meine Gedanken aus, auch das Licht ist aus. Sogar die Musik ist aus! Erst jetzt realisiere ich, wie lange ich schon unter dem Strahl stehe. Jetzt fange ich die Stille ein. 
Der Wind, der durch das Fenster weht, lässt darauf schließen, dass sich ein Unwetter auftürmt. Kaum denke ich das, höre ich was. Erst ein blauer kurzer Lichtfunke, der augenblicklich das Zimmer ausfüllt. Dann der dazugehörige Ton. Ich muss Gedanken tanken, merke doch, dass ich das Tanken nicht mehr steuern kann. Daher gehe ich hin und mache das Fenster zu, bevor ich mir einen Zug hole. 

Schlagartig sind die Gedanken weg. Bin ich jetzt wieder glücklich? Darf ich jetzt wieder sein? Oder muss ich weiter trauern, bis die Gefühle endlich abgewaschen sind – befreiend. Das Wasser wird wärmer, woraufhin meine Haut kälter wird. Die Gedanken sind wieder da und unterbrechen die Stille. Das monotone Geräusch scheint nicht aufzuhören, weshalb ich mich gezwungen sehe, Boden zu fassen. Ich setzte mich hin und das Wasser trommelt unaufhörlich auf meine Schulter. Nein, eigentlich stürze ich ein und bin gezwungen meinen schwachen Beinen nachzugeben. Der Boden wird mir unter meinen Füßen weggezogen.

Vielleicht denke ich zu viel? Vielleicht spüre ich zu viel? Eigentlich weine ich aus Glück, denn mein Leben ist schön – glaube ich. Ich sehe den Schmutz, der meinen Körper verlässt. Hoffe die Toten zurück. Ich will nicht mehr sein. Zum ersten Mal im Leben reflektiere ich es. Ich bereue es, verdränge es. Das Leben eines Anderen gestohlen. Wie genommen, so zerronnen. Gestern noch durfte ich mit meiner Partnerin löffeln. Heute schon, zwinge ich jemanden den Löffel abzugeben.

Platsch. Der Gedanke, er zerfällt in tausend Einzelteile. Ich kann mich nicht vor der Wahrheit drücken – dachte ich. Wer beschützt einen vor der Wahrheit. Nicht alles ist ein Computerspiel. Haben wir nicht alle Leichen im Keller wie alte Teller von der Großmutter – Erinnerungen. In ihnen kann man schwelgen. Vergangen ist, was man erlebt hat. Nur will man manchmal nicht erleben. Wird es dann trotzdem zum Vergangenen?  Ein Schluchzen, ein Echo und leerer Ort, in dem es nichts gibt, damit es hallt. 

Erneut seife ich mich ein, um das Blut abzuwaschen. Bin ich jetzt ein guter Mensch? Gibt es einen Weg zurück. Niemand wundert sich, dass ich so lange hier verweile, denn niemand wird kommen, um mich aus diesem Leben zu entreißen. Ich selber schaffe es nicht. Ich persönlich will es auch nicht. Denn das Leben will mich nicht. Niemand wird kommen, ich bleibe allein. 
Das Prasseln wird stärker – denke ich. Ein roter See fließt den Kanal hinunter. Wieso habe ich abgedrückt? Ein Tropfen nach dem Anderen lässt den Fluss hellrot werden. Doch die Farbe bleibt. Die tote Materie bleibt. Die Erinnerung bleibt. Der Mord bleibt – Realität. Ich mache das Fenster wieder auf, um einen Zug zu bekommen. Ich will nicht mehr. Ich muss andere Gedanken tanken, um in Erinnerung zu schwelgen. 

Mich umgibt ein tolles Leben. Ich liebte sie. Sie war meine Frau. Gestern lagen wir noch beide zusammen im Bett. Heute stehe ich unter der Dusche und sie liegt tot im Bett.

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