Um über ein Verhältnis zwischen Mensch und Technik überhaupt sprechen zu können, muss zunächst einmal geklärt werden, was der Begriff Technik überhaupt aussagt. Also was ist Technik?
Im Duden wird
Technik, als die Gesamtheit der Maßnahmen, Einrichtungen und Verfahren,
die dazu dienen, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften für den Menschen
praktisch nutzbar zu machen, definiert. Nach dieser Ansicht müsste Technik
also nützlich sein. Menschliche Ideen, die für ein besseres Leben sorgen, werden
als Technologie umgesetzt. Die Technik ist dabei nur das Hilfsmittel, um
gewonnene Erkenntnisse in die reale Welt zu übertragen und damit greifbar zu
machen. Technik begegnet uns überall in unserem Leben, doch bemerken wir sie
mittlerweile schon gar nicht mehr. Sie ist zu einer Normalität geworden, welche
jeder von uns mehrfach am Tag nutzt, ohne zu wissen wie diese funktioniert. Zum
Beispiel setzt sich fast jeder von uns regelmäßig in ein Auto und weiß trotzdem
nicht, wie die Mechanik innerhalb des Autos funktioniert. Die Komplexität der
Technik ist in vielen alltäglichen Gegenständen verborgen. Wir kommen mit ihr
auf unterschiedlichen Ebenen, wie zum Beispiel im Verkehr, der Nutzung von Computern,
oder eines simplen Kugelschreibers in Berührung. Wir vertrauen auf diese
Technik und hinterfragen deren Abläufe und Wirkungen immer seltener. Dabei
verliert sich teilweise der Bezug zur Sinnhaftigkeit, ohne dass wir uns dessen
überhaupt bewusst werden.
Schon
Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hat sich der Naturphilosoph Nicolas Born
Gedanken über den Begriff der Technik gemacht. In seinem Werk „Die Megamaschine“
aus 1980, geht es um den immensen Einfluss der Technik auf unsere Gesellschaft.
Ich
denke die Metapher „Megamaschine“ ist Ausdruck einer technisierten Gesellschaft
in der es keinen Bereich mehr gibt, der nicht von ihr durchdrungen ist. Sie ist
Ausdruck einer anonymisierten und sinnentfremdeten Welt, über die wir längst
den Einfluss verloren haben. Wir sind sozusagen Sklaven unseres eigenen
Erfindungsgeistes geworden. Nicht wir haben Macht über die Technik, sondern die
Technik über uns. Die sogenannte Megamaschine ist laut Born nicht mehr zu
kontrollieren. Im Gegenteil, sie macht uns als Konsumgesellschaft abhängig und
bestimmt unser Leben.
Durch
den Machtzugewinn der Megamaschine sind handwerkliche Fähigkeiten in unserer
Gesellschaft verkümmert und wurden durch vorgefertigte, vermeintliche
Individuallösungen ersetzt. Seitdem simulieren wir unsere Selbstverwirklichung,
indem wir mit vorgefertigten Techniken vorgeben, die Dinge selber geschaffen zu
haben.
Laut Born
werden durch Industriekonzerne, immer neue Entwicklungen vorangetrieben, um den
Mensch durch den Einsatz neuer Techniken zu einer abhängigen Marionette werden
zu lassen. Wir werden durch die Megamaschine zu einer Gesellschaft
konditioniert, welche auf das vermeintlich Notwendigste reduziert wurde. Dies
drückt sich in unserer Leistungsgesellschaft durch immer größeres Profitdenken
aus. Er erklärt diesen Umstand mit einer immer härteren und rational denkenden
Gesellschaft, in der es keinen Platz für Niederlagen und Versagen gibt. Fortschritt
definiert sich dem entsprechend einzig und alleine an einem profitablen
Ergebnis.
Die mentalen
und körperlichen Anforderungen an den Menschen, der die Megamaschine schafft,
sind am Ende emotional nicht auszuhalten. Wir werden als Werkzeuge missbraucht,
bis wir abgenutzt und verbraucht sind.
Daraus
resultierend entsteht bei Born der Gedanke, dass wir versuchen, beispielsweise
durch Urlaube, Lebenszeit zu gewinnen, indem wir zwanghaft vor dem fliehen, was
uns permanent an das Arbeitsleben erinnert. Tatsächlich jedoch verlieren wir
dadurch Zeit, da wir uns fremdbestimmt in einer Welt bewegen, in der wir nie
gerade da sind, wo wir uns hinträumen. Mehr noch, wir verlieren uns im
ständigen reisen von Punkt A zu Punkt B anstatt jene Momente zu genießen, die
sich aus einem Einverständnis mit einem beliebigen Standpunkt ergeben könnten.
Selbst im Urlaub sind wir immer noch an die Megamaschine gebunden und haben
das Verlangen, ihr zu gehorchen.
Man
könnte daraus ableiten, dass durch permanente Erreichbarkeit und das getrieben
sein in einer ruhelosen Gesellschaft beispielsweise Burnout und Rastlosigkeit
entstehen, (vgl. Hans Jonas: Warum die
Technik ein Gegenstand für die Ethik ist, 1993) „selbst wenn sie gutwillig für
ihre eigentlichen und höchst legitimen Zwecke eingesetzt wird, hat sie dennoch
eine bedrohliche Seite.“
Ich bin
davon überzeugt, dass wir unbewusst zu einem Teil der Megamaschine werden, ganz
gleich ob wir dies wollen oder nicht. Was uns dann gesellschaftlich voneinander
unterscheidet sind keine echten Werte oder unsere Persönlichkeit, sondern wir
definieren uns anhand der Menge an Arbeit, die wir geleistet haben oder des
erzielten Einkommens. Immer mehr verhalten wir uns wie eine seelenlose Maschine
und gleichen damit dem Werkzeug das Born als Megamaschine bezeichnet. Wir
vernichten damit das wertvollste, was uns als Menschen ausmacht, nämlich unsere
Fähigkeit der Emotionalität und der damit verbundenen Fähigkeit des Glücklich
seins.
Ich denke, jede
Art von Digitalisierung birgt auch gesellschaftliche Zwänge in sich. Einerseits
gewinnt unser Leben an Möglichkeiten durch den Einsatz von Technik –
gleichzeitig verlieren wir jedoch jegliche Privatsphäre und
Selbstbestimmungsmöglichkeit. Die Industriekonzerne wissen mittlerweile an
welche Zielgruppen sie sich wenden müssen und erkennen Datenprofile anhand von
Cookies die wir als technischen Fingerabdruck hinterlassen.
Gerade Soziale
Netzwerke sind Beispiel dieses sogenannten Fortschrittes. Sie vereinen alle
Benutzer dieser Plattformen und überbrücken die gefühlte Distanz. Doch woraus
ergibt sich tatsächliche Nähe? Ist ein Freund bei Facebook ein echter Freund?
Sind Distanzen über einen Videochat automatisch überwunden? Ist Technik ein
Inhalt oder eine Hülle, die wir mit Inhalt erst füllen müssen?
Wenn wir uns
dem technischen Fortschritt ergeben ist aus meiner Sicht zu befürchten, dass
wir nicht mehr für uns-, sondern für die anderen leben. Wir sind Voyeure
anderer Leben, beobachten und bewerten diese anhand von „Posts“. Eine
künstliche Welt wird abgebildet und als Realität empfunden, wenngleich jeder
weiß, dass sie nur einen Ausschnitt dessen ist, was der Realität entspricht. Wir
verlieren damit die Fähigkeit Augenblicke wirklich wahrzunehmen, weil wir
krampfhaft versuchen Erlebnisse mit anderen zu teilen.
Technik wird
damit zum Verzerrer der Realität und schafft eine degenerierte oberflächliche
Gesellschaft.
Bei der
Betrachtung eben dieser Problematik, wird klar, dass der Einfluss der
Megamaschine nicht nur auf der persönlichen Ebene besteht, sondern ein
weltweites Ausmaß auf die gesamte Gesellschaft hat.
Besonders
deutlich zeigt sich die Macht der Megamaschine in Verbindung mit der
derzeitigen Digitalisierungswelle, die mit voller Kraft auf unsere Gesellschaft
zurollt. Digitalisierung steht für einen einschneiden Umbruch in unserer
Arbeitswelt, denn nahezu in jedem Bereich werden Arbeitsabläufe durch neue,
technisierte Prozesse ergänzt und abgelöst. Der Einfluss auf uns Menschen wird
immens sein und ist Ausdruck einer fortschreitenden Globalisierung. Insofern
ist der Zusammenhang zwischen Globalisierungstendenzen und der sogenannten
Megamaschine nicht zu übersehen.
Dies zeigt sich
in der Praxis, indem Arbeitskräfte aus aller Welt rekrutiert werden, Produktionen
in Länder verlegt werden, in denen die Herstellung günstiger ist und dadurch
entstehende konkurrierende Märkte zu immer größerem multinationalen Wettbewerb
führen. Daher besteht ein riesiges Angebot- und Nachfrage- Potential, das
gestillt werden muss. Man verspricht sich durch die Digitalisierung die Optimierung
der Herstellung von Produkten und des Vertriebs in die ganze Welt. Digitalisierung
macht damit Globalisierung erst möglich. Die Folgen dieser Globalisierungs- und
Digitalisierungs-Tendenzen für uns Menschen sind gravierend. Das Individuum
Mensch wird mehr und mehr zurückgedrängt. Aber auch kulturelle und soziale
Unterschiede, die ein Land ausmachen verlieren sich im Vereinheitlichungswahn
einer globalisierten Welt. Die sogenannte McDonaldisierung verändert unsere Stadtbilder und
ist Ausdruck einer Gleichmacherei, wie sie noch nie da war.
Um dieser
grauen einheitlichen Welt zeitweise zu entfliehen, entstehen Gegenströmungen,
die in der Werbung beispielsweise anhand von individualisierten Produkten zu
Tage treten. Außerdem gibt es den gesteigerten Wunsch nach einer heilen Welt,
die wir beispielsweise durch Naturerlebnisse zurückgewinnen möchten. Wir suchen
diese indem wir beispielsweise Reisen in die Berge oder zu einsamen Stränden
unternehmen, um ein kleines Stück Naturverbundenheit zurück zu erobern. Im Text
von Max Frisch, Motorisiertes Dasein, beschreibt der Autor jedoch diese
vergeblichen Versuche und zeigt auf, dass selbst am abgelegensten Ort der Welt
die Technik uns einholt und begleitet. Wir können ihr weder langfristig entfliehen,
noch können wir auf sie verzichten. Der Alltag holt uns ein und wir können
trotz aller Bemühungen die Distanz zwischen Natur und Mensch nicht auflösen.
Das bewusste
Erleben von Natur sowie der Versuch Distanzen zu Menschen durch moderne Medien
zu überbrücken geht einher mit dem Bedürfnis nach Verbundenheit und Empathie.
Technik und
Natur sind somit durch das Bindeglied Mensch verbundene Protagonisten und somit
voneinander abhängig. Der Mensch sucht nach Wegen sich in beiden Welten
zurechtzufinden. Er verknüpft diese beispielsweise indem er sich seit
Jahrhunderten an den Früchten der Natur bedient und gleichzeitig versucht dies
technisch in einem Rahmen zu tun, der die Natur als solche erhält.
Diese
Zerreißprobe hat der Mensch nicht bestanden. Es wird mehr und mehr klar, dass
die Natur den Kürzeren zieht. Der Mensch als Bindeglied hat versagt in seinem
Bemühen. Er nimmt in Kauf, dass natürliche Ressourcen ausgebeutet werden und
das Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Werten verloren geht.
Gleiches gilt
für zwischenmenschliche Beziehungen. Technische Errungenschaften haben uns an
den Rand einer oberflächlichen Welt gedrängt. Wir müssen wieder neu erlernen
uns mit der Natur und den Menschen zu verbinden. Welchen Stellenwert Technik
dabei behält bleibt abzuwarten.
Quellenangaben:
- Nicolas Born:
Die Megamaschine (1980)
- Aus Max
Frisch, Max Siller: In gesammelte Werke in zeitlicher Folge. Motorisiertes Dasein Hrsg. Von Hans Mayer unter Mitarbeit
von Walter Schmitz, Bd.3.2.Frankfurt am Main; Suhrkamp 1976, S. 529-531
- https://www.duden.de/rechtschreibung/Technik#Bedeutung1, 21.10.2017
- Hans Jonas: Warum die Technik ein Gegenstand für die
Ethik ist
Kommentare
Kommentar veröffentlichen