Zelte abbrechen und Weiterziehen

Dies ist der erste Gastbeitrag auf diesem Blog. Die Thematik behandelt die Vergänglichkeit der Zeit, das Gefangen-Sein in alten und neuen Mustern und das Bewusstsein, gegen Gewohnheiten anzukämpfen. Der anonyme Autor dieser Geschichte wird euch mit belehrendem Stilmittel stutzig machen.




Mit dem Beginn eines neuen Lebensabschnitts endet zwangsläufig der Vorige. Sei es der Abschied aus dem Elternhaus zum Studieren, der Umzug in eine neue Stadt oder das Ende einer Beziehung. 

All das hinterlässt Erinnerungen an Kindheit, die Zeit um und in der alten Wohnung oder gemeinsame Erlebnisse mit dem Ex-Partner. Jeder Aufbruch zu neuen Ufern bedeutet ein Abschied.

Ironisch, dass es ausgerechnet diese Zäsuren sind, die die Vergänglichkeit des für selbstverständlich gehaltenen Alltags und Umfelds verdeutlichen. Ironisch, dass wir uns der Vorzüge unseres Lebens (abschnitts) erst mit dessen Ende bewusst werden. 

Vielleicht können wir hieraus lernen. Vielleicht können wir uns immer mal wieder ins Bewusstsein rufen, dass der Wäsche- und Kochservice der Mutter, das Bier mit fußläufig entfernt wohnenden Freunden oder die Abende vor dem Fernseher mit unserem Partner eben nicht selbstverständlich sind. 

Doch wie ist mit dem absehbaren Ende eines solchen Lebensabschnitts umzugehen? Kündigt sich eine starke Wendung der Lebensumstände an, verfallen viele in Melancholie. 
Die sonst so nervigen Arbeitskollegen wirken nach Einreichen der Kündigung plötzlich wie die besten Freunde, die alte Wohnungen mit all ihren Erinnerungen wirkt vor einem Umzug plötzlich so einmalig, als würde nichts besseres kommen können. Doch die Antwort hierauf darf nicht die Romantisierung des Vergangenen sein. Hier gilt es, den Blick nach Vorn zu richten: Neugier statt Nostalgie. 

Denn das Zurückgelassene wird beim Weiterziehen paradoxerweise trotzdem mitgenommen– in Form von Erinnerungen. Diese können toxisch wie motivierend sein, ganz davon abhängig wie wir mit ihnen umgehen. 

So ist es nun einmal nicht schön, die letzten Tage in der alten Wohnung zwischen gepackten Umzugskartons sitzen, konfrontiert mit Bildern unbeschwerter Kneipenabende. Doch die Antwort hierauf darf nicht sein, sich in Trübseligkeit zu verlieren. Sie muss Vorfreude sein, auf das was kommt. Auf die neuen Menschen, die unseren Alltag bereichern. Auf die neuen Herausforderungen, die Schule, Studium oder Beruf mit sich bringen. Auf die neuen Gewohnheiten und Lasten, die wir uns zu eigen machen. Und an diesem Punkt steht man wieder im Hamsterrad. Kaum ist man in der neuen Lebenssituation angekommen, ist die Versuchung zu groß, sich der scheinbaren Selbstverständlichkeit des neuen Alltags hinzugeben. 

Lasst die Momente des Zelte-Abbrechens nicht die einzigen sein, an denen wir die guten und schlechten Seiten unseres Lebens zu schätzen wissen. Wir brauchen keine Zäsur, um uns dem was wir haben bewusst zu sein. Wir müssen dazu auch keine Yogis oder Zen-Mönche sein, nicht Meditieren oder Esoterik-Seminare besuchen. Eines reicht. Bewusstsein. 

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