Dialog zweier Goldfische

Die Geschichte zweier Goldfische, welche auf das Leben unserer Mitmenschen übertragen werden kann. Auch ich habe mich zwischen diesen Zeilen entdeckt. Mich würde interessieren, mit welchem Goldfisch ihr mehr sympathisiert, oder euch sogar identifiziert? Seid ihr mit dem dramatischen Ende einverstanden oder seht ihr das anders? Schreibt gerne mal ein Kommentar, wenn ihr euch positionieren wollt!






>> Bist du es nicht leid, jeden verdammten Tag hier rum zu schwimmen? <<, fragte ich und schwamm nach links und nach rechts. Nach links und wieder nach rechts.
>> Tag für Tag immer die gleiche Aussicht durch das blöde Glas zu haben? Weißt du… Was wäre, wenn es
ein Ort gäbe, an dem… <<

>> An dem, was? <<, unterbrach er mich und kreuzte genervt seine goldfischfarbenden Flossen.
>> Sei doch mal zufrieden, mit dem was du hast und geh mir nicht ständig auf die Nerven, sprach er, als wäre es das normalste der Welt gewesen. <<

>> Jahr für Jahr machen wir nichts, als Amateur-Schwimmen auf begrenztem Raum. <<, stammelte ich. Während ich das sagte, kam die altbekannte Menschengestalt zu uns und schüttete Fischfutter ins Goldfischglas.

>> Schau doch Mal, wie gut es uns hier geht? <<, flüsterte er schon fast, während er seinen Blick auf die braunen Flocken fixierte und zugleich zu essen begann. 
>> Vor uns liegt ein langes, glückliches Leben und du hast nichts Besseres zu tun, als jeden deiner 
Tage mit Nörgeln zu verbringen. <<

>> JA, jeden verdammten Tag! <<, erwiderte ich und aß fleißig das altbekannte Fischfutter. 

>> Weißt du noch, als wir uns das Glas mit einer diese Kugelfische teilen mussten? DU verhältst dich genauso aufgeblasen, wie der es immer getan hat! <<, sagte er und gab zu erkennen, dass er die alten Zeiten nicht vermisste.

>> So aufgeblasen bin ich jetzt auch wieder nicht. Außerdem, was bringt uns dieses beschissene, lange Leben, wenn es nichts gibt, was ihm Bedeutung verleiht? Wenn es nach mir ginge, würde ich jeden Tag mehr nutzen wollen, als bloß immer das Selbe tun zu müssen! <<, schrie ich, doch es kamen nur Luftblasen. Blub, Blub. 

>> Warte doch mal ab <<, antwortete er.
>> Was würdest du ändern wollen, und viel wichtiger, was kannst du überhaupt ändern? <<, sagte er und kullerte mit seinen Fischaugen. Anschließend, schwamm er an die Wasseroberfläche, um mich nicht mehr hören zu müssen. Irgendwie ging ich ihm wohl mit meinem Getue auf die Nerven. Ich schwamm ihm natürlich direkt hinterher, um die offene Frage nicht unbeantwortet zu lassen.

>> Warum leben wir in diesem gottverdammten Goldfischglas? <<, fragte ich ihn. Weil er natürlich keine Antwort 
wusste, fuhr ich fort.
>> Wenn ich nachts zu träumen wage, hab ich Bilder von einem riesigen Wasserbecken im Kopf. Das ist zehnmal so groß, wie unser Glas hier.Ich weiß zwar nicht, ob es tatsächlich existiert, doch es muss doch etwas geben, was größer ist. Einfach viel gewaltiger, als dieses beschissene Fischgefängnis <<, proklamierte ich.

>> So ein Schwachsinn <<, erwiderte er und tippte mit seiner Flosse an seine Goldfischstirn. Zumindest versuchte er es, denn so beweglich war er wohl auch wieder nicht. 
>> Wir leben hier in diesem Glas, weil das unser Leben ist. Finde dich mit dem ab, was du nicht verändern kannst. Hab doch mal ein kleinwenig Vertrauen in dein Schicksal. Es wird sich alles zum Guten entwickeln <<, sprach er, als wäre er einer dieser Möchtegern-Propheten. Mir platzten bald die Fischadern. Darauf konnte man nicht ruhig und gelassen antworten.

>> Was bist du nur für ein langweiliger Clownfisch! Fast schon witzig. Du glaubst, dass dein Leben für dich Entscheidungen trifft? Dann könnte ich ja die ganze Zeit schlafen und nichts tun. Das Leben hat ja anscheinend Großes mit mir vor… <<, sagte ich und schwamm wieder die kurze Distanz nach unten zum Glasboden. Er schwamm mir natürlich direkt hinterher, weil er das nicht auf sich sitzen lassen konnte. Das altkluge Fischgesicht musste mich ja belehren.

>> Ich verrate dir jetzt mal was! <<, brüllte er anfangs und dann zum Satzende immer leiser. Jetzt flüsterte er mir in meine schmalen Kiemen hinein.
>> Du kannst deine Situation nicht verändern. Uns sind die Flossen gebunden. Ich denke, das Leben gibt uns Rahmenbedingungen vor, eine Art Spielraum. Den können wir nutzen, um unser Leben zu gestalten. Vielmehr ist einfach 
nicht möglich. <<

>> Dann müssen wir diese bescheuerten Mauern durchbrechen, so ist das eben! <<, unterbrach ich ihn. Ich nahm Anlauf und versuchte alle Kraft aus meinen Flossen heraus zu holen. Voller Zorn schwamm ich gegen die Glaswand, da ich meine Grenzen nicht akzeptieren konnte. Das versuchte ich wieder und wieder, doch ohne Erfolg. Das Einzige, was ich erreichte, war eine dicke Beule auf meinem Fischkopf. 

>> Willst du das Glas etwa zerbrechen? Wie denn? <<, fragte er mich.

>> Nein, natürlich nicht! Ich will einfach… einfach, wegfliegen… <<, stammelte ich, wohlwissend, dass sich das gerade blöd angehört hatte.

>> Da lache ich mich kaputt! <<, antwortete er lautstark. Versuche die Grenzen des Möglichen nicht zu durchbrechen, denn du wirst es bereuen. <<, sagte er schon wieder so, als ob er alles besser wüsste. Dann gab ich ihm eine kleine Redepause, obwohl ich ihm am liebsten die Mittelflosse gezeigt hätte.
>> Vielleicht hast du recht, und wir müssen tatsächlich Mauern durchbrechen, aber erst dann, wenn es an der Zeit dafür ist. Wir werden merken, wann der Zeitpunkt gekommen ist, um Grenzen zu überwinden. Wir müssen ja auch warten, bis die Menschengestalt kommt, um uns Futter zu geben, <<, sprach er.

>> JA und dieser Zeitpunkt ist jetzt. Ich träume schon so lange von einem großen, verkackten Becken, als wäre es ganz real. Wir verbringen zwar unser ganzes Leben schon hier, aber irgendwas Größeres muss es doch geben. <<, sagte ich und deutete auf das Fenster, dass eine kleinen Spalt nach Draußen zuließ. 
>> JA, verdammt! Ich muss es jetzt versuchen. <<, schrie ich ihn an, doch es kamen wieder nur Luftblasen aus meinem Mund heraus. Blub, Blub.

>> Tu, was du nicht lassen kannst. Fordere das Leben heraus und der Tod wird kommen. Ich sage dir, dass Zuversicht und Zufriedenheit alles sind. Manchmal hast du alles gegeben und kommst trotzdem nicht an dein Ziel an. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass du gescheitert bist. Manchmal hat das Leben Größeres mit dir vor und testet eben deine Geduld. <<, erzählte er voller Enthusiasmus. 

>> Es muss doch einen Sinn geben! <<, sagte ich ganz plötzlich.

>> Ich muss es versuchen. So ne Blöde Geduld habe ich nicht. <<, antwortete ich und sammelte mich am Glasboden. Ich fixierte meinen Blick auf die Wasseroberfläche, wartete einen Augenblick und raste in Richtung Oberfläche. Stille. Ich flog. Kaum zu glauben. Ich benutzte scheinbar meine Flossen als Flügel. Ein Vogel war ich trotzdem nicht, egal wie sehr ich es mir wünschte. Einige Zentimeter über dem Wasser spürte ich die Luft, die meine Kiemen streifte. Ich konnte es nicht abwarten und überwand meine Ängste. Vielleicht hatte er recht? Sich deswegen den weichen Kopf zu zerbrechen, brachte jetzt sowieso nichts mehr.


>> Du fliegst ja tatsächlich! <<, brüllte er, wohlwissend, dass ich ihn nicht mehr hören konnte, da das Wasser jeglichen Schall abdichtete. Der Gedanke hielt nicht lange an, denn kurz darauf, musste er mit ansehen, wie ich unten auf dem Teppichboden zu zappeln begann. Abgesperrt durch das Goldfischglas, sah er, dass sich seine Befürchtungen bestätigt hatten. Egal wie sehr ich es mir wünschte, aber ein Landbewohner war ich trotzdem nicht. Nach einiger Zeit hörte ich auf zu zappeln, während ich das Getane schließlich reflektierte. Dabei ist es wie gesagt auch schon zu spät gewesen. Hätte ich mal vorher mein Fischgehirn angestrengt, wäre mir das nicht passiert.










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