Dieser eine Song



Wieso bist du meistens von der Welt genervt? DU führst dich dann ganz seltsam auf und alles nimmt seinen Lauf. Dann fange ich an, dich zu nerven und wir merken schnell, dass wir die Nerven verlieren. Ich versuche schon lange herauszufinden, wie du es schaffen könntest, die Welt lieben zu lernen. Weißt du, die Welt sollte dich lieben, damit du mir deine Liebe zeigen kannst und wir endlich die Geschwister sein können, die einander gut tun. Vielleicht ist das einfach das Konzept des Geschwister-Daseins, welches sich nicht verändern lässt.

Aber das ist nicht immer so – manchmal. Denn in diesem einen, ganz bestimmten Augenblick, verhalten wir uns anders. Du bist offener und zugänglicher – jene Momente, die ich als Bruder wertschätze, weil ich mir ihrer Seltenheit bewusst bin. Wir sind doch Bruder und Schwester. Warum kann das nicht immer so sein, frage ich mich. 

Jene Augenblicke, in denen wir ins Auto einsteigen – Tür zu. Wir könnten uns wieder blöd von der Seite anmachen, hören aber einfach laut Musik – Erinnerungen. Lieder, die unseren beiden Herzen einen Ruck geben und uns Erlebtes wieder aufblitzt – Nostalgie. Sie ist allgegenwärtig, dennoch braucht es ein wenig, bis sich der Moment auflockert. Allmählich fängt einer an zu schwingen. Der andere trommelt zunächst leicht auf das Armaturenbrett. Dann wird gesummt und du verstärkt deine Kopfbewegungen – rhythmisch. Ich schaue schnell zu dir herüber und blicke in Augen der Andacht. Der Fels beginnt zu bröckeln, die Fassade löst sich auf. Ich sehe deutlich, dass sich deine Gedanken im scheinbar ewigen Kreis drehen, während ein Gedanke nach dem anderen herausfliegt. Ähnlich, wenn sich ein Karussell immer schneller dreht und ein Kind nach dem anderen herausfällt – Bilder im Kopf. Vielleicht ist der Vergleich auch ein wenig überspitzt.

Wir machen uns keine Gedanken und lassen uns auf die Musik ein. Trotzdem geht das Lied zu Ende und alles scheint irgendwie akustisch tot zu sein – Stille. Unangenehm - denke ich.

Das neue Lied beginnt und ich merke wie erleichtert ich bin. Es läuft dieser eine Song, dieser immer da gewesene Song, der etwas erzeugt – ganz einfach. In mir und in dir. Unsere Bewegungen werden immer stärker. Es wird gesungen und ich sehe uns lächeln – ganz einfach. Wir lassen den Schmerz und die Freude zu, erinnern uns und sind froh hier zu sein - erlösend.

Unsere schrillen Stimmen sind heilsam. Wir kennen den Text und die ganze Situation wandelt sich in einen wertvollen Countdown. Ich drehe die Musik ein wenig lauter, während sich Blicke von Bruder und Schwester kreuzen. Du schaust mich für diese eine Sekunde anders an, als sonst. In dem Moment weiß ich einfach, dass alles gut ist. Ein anderer Blick, der mir verrät: Wir lieben uns – irgendwie.













Kommentare

  1. Wenn Brüder und Schwester immer mehr zu sich selbst finden, ihr eigenes Leben beginnen zu erleben, dann werden diese Momente sich häufen.
    Wenn die Reflexion stoppt und der Spiegel dich nun nicht mehr zeigen muss.
    Denn du kennst dich
    Und du kennst mich

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